Alltagsromantik
Wie gewohnt wartete ich vergebens auf ein pünktliches Eintreffen meines Busses um 7:38. Jedoch will ich nicht verhehlen, daß mir durch dieses Fehlverhalten des öffentlichen Personennahverkehrs die Gelegenheit zum Geschenk wird für ein Weilchen den Zerfall der Gesellschaft an Praxisbeispielen zu studieren.
So beobachtet man Menschen die in volle Busse strömen, welche sich jedoch ebenso zeitgleich der Menschenmassen entleeren wollen. Jugendliche, die nicht nur HiFi-Esotherikern mit sauerstofffreien Kupferkabeln durch ihr Verhalten konsternieren, sondern auch für jeden gelernten Proleten ein Schlag ins Gesicht sind, da sie nicht mehr den Druck von satten Bässen und zartgezeichneten Höhen schätzen, konsumieren sie doch neuzeitliche Musik aus blechern und übersteuert klingenden Mobiltelefonen.
Andere Jugendliche wiederum beginnen gerade Ihre Drogenkarriere durch den ungezügelten (jedoch künstlerisch wertvoll vorgeführten) Konsum von Tabakwaren. Und selbst dann wenn lebensmüde Fahrgäste ungestüm vor abfahrende öffentliche Nachverkehrsmittel laufen, quittiert man all das mit einem Lächeln und fiebert bereits dem nächsten Highlight des Tages entgegen: Die alltägliche Werbedauersendung zum Thema Lockenwickler auf dem in der Cafeterie zur Aufstellung gebrachten Fernsehflachbildschirm.
Nach einem verzückten Seufzer gerät man sodann in den innerlichen Konflikt, ob man nicht doch ein wenig zu viel romantisiert und Gewalt gegebenenfalls doch eine Lösung ist. Ich denke ich werde Herrn Stoiber noch eine E-Mail schreiben und ihm die wahren Probleme aufzeigen die die Gewalt für uns Menschen so schmackhaft machen können.